Treffpunkt Deutsch in der Heilbronner Stadtbibliothek
„Das beste was der Stadtbibliothek seit langem passiert ist“
Dieses Projekt liefert einen Beitrag für folgende Nachhaltigkeitsziele:
Was braucht ein Mensch, der vor Krieg und Gewalt geflohen ist, um in einem neuen Land gut anzukommen? Natürlich Unterkunft, Essen, Kleidung. Aber gleich danach kommt die Sprache. Sie ist der Schlüssel zur Verständigung mit den Menschen im neuen Land. Verständigung ist an jedem Montagnachmittag „live“ zu erleben in der Heilbronner Stadtbibliothek. Hier treffen sich seit zwei Jahren ehrenamtliche Mentorinnen und Mentoren mit Menschen, die Unterstützung suchen beim Erlernen der deutschen Sprache.
Seit Sommer 2015 kamen immer mehr Geflüchtete in die Stadtbibliothek Heilbronn. Was führte diese Menschen ausgerechnet in die Bibliothek? Woher kannten sie diese Einrichtung?
Seit vielen Jahren kooperiert die Stadtbibliothek mit Institutionen, die sich um die Integration von Zugewanderten kümmern und die sehr schnell auch im Bereich der Flüchtlingsarbeit aktiv wurden. Die Stadtbibliothek bot Führungen für Sprach- und Integrationskurse an oder stellte ihr Angebot bei den Ehrenamts-Initiativen vor. Und so sprachen sich die Vorteile der Bibliothek sehr schnell unter den Geflüchteten herum: kostenloser und freier Zugang für Alle, WLAN; Computer- und Internet-Arbeitsplätze, Literatur zum Deutschlernen, persönliche Beratung. Mit der Verwaltung konnte schnell geklärt werden, dass Geflüchtete mit einem vorläufigen Aufenthaltsstatus einen kostenlosen Bibliotheksausweis bekommen. Davon hat die Bibliothek seit Sommer 2015 rund 1500 ausgestellt.
WLAN, Arbeitsplätze, Lehrbücher – ist das alles, was eine Bibliothek neu Zugewanderten bieten kann?
Bibliotheksleiterin Monika Ziller und der Vorstand des Freundeskreis der Stadtbibliothek Heilbronn, beide sehr erfahren in der Organisation von bürgerschaftlichen Engagement rund um das Thema Sprach- und Leseförderung, sahen größeren Bedarf. Eine Sprache zu erlernen funktioniert umso besser, je mehr Möglichkeiten der Kommunikation mit „Muttersprachlern“ bestehen. Und so entstand der Heilbronner „Treffpunkt Deutsch“: ehrenamtliche „Mentor*innen“ wurden über Handzettel und vor allem durch persönliche Ansprache gesucht, die sich wöchentlich 90 Minuten mit den „Gästen“ in der Bibliothek treffen, sprechen und lernen. Und Heidemarie Schneider ging mit Überzeugung und großem Elan ans Werk und übernahm die Koordination des Projekts. In ihrem Freundeskreis gewann sie eine große Zahl ehrenamtlicher Mitarbeiter*innen.
Auf das zweijährige Bestehen wurde bei einer Feier am 4. Juni 2018 zurückgeblickt. Rund 2200 Gäste haben den Treffpunkt seither besucht, und es sind längst nicht mehr nur Flüchtlinge, sondern Menschen aus aller Herren Länder, die Deutsch lernen wollen. Von Beruf sind sie Bäcker, Friseur, Informatiker oder Philosoph. Sie kommen aus 40 Ländern, vornehmlich aus Syrien, Eritrea, Irak und Afghanistan, aber auch aus Peru, Nepal und Weißrussland.
40 Mentor*innen waren zeitweise oder dauerhaft aktiv, viele davon sind in Rente, und waren davor als Ärzte, Pädagogen oder Manager berufstätig. Einige stehen aber auch noch im aktiven Berufsleben und nehmen sich Zeit für die ehrenamtliche Tätigkeit, weil sie diese so wichtig finden. Manche von ihnen haben selbst eine Zuwanderungsgeschichte, wie z.B. Nazem aus Ägypten, der sich noch gute erinnern kann, wie hilflos er sich als Neu-Zugewanderter in Deutschland gefühlt hat.
So sitzen an jedem Montagnachmittag kleine Gruppen über die ganze Bibliothek verteilt, sprechen und arbeiten. Die Mentor*innen gehen auf die individuellen Bedürfnisse ihrer Gäste ein: mal ist es die Unterstützung bei Hausaufgaben im Deutschkurs oder bei der Prüfungsvorbereitung, mal wird Unterstützung beim Schreiben von Bewerbungen benötigt oder Hilfe beim Ausfüllen von Formularen.
Und da das Leben nicht nur aus Lernen besteht, kommen auch Freizeitaktivitäten nicht zu kurz. Weihnachtsfeiern, Ausflüge und Museumsführungen werden organisiert. Und beim gemeinsamen Essen, bei Musik und Literatur findet reger „Kulturaustausch“ statt. Wie erfolgreich diese Arbeit ist, zeigt sich immer dann, wenn die Gäste Prüfungen bestehen, einen Ausbildungsplatz, einen Job oder eine Wohnung finden. Für viele ist der Treffpunkt aber auch einfach ein Stück Heimat.
„Der Treffpunkt Deutsch ist das Beste, was der Stadtbibliothek seit langem passiert ist“ sagte kürzlich eine Bibliotheksmitarbeiterin.
Warum? Nun, weil man im Bibliotheksalltag selten ein so eindrückliches Bild davon bekommt, was eine Stadtbibliothek in Verbindung mit bürgerschaftlichem Engagement leisten kann. Und so hatten Kulturbürgermeisterin Agnes Christner und die Bibliotheksleitung beim Fest viele Gründe, das zweijährige Bestehen des Treffpunkts zu würdigen und sich beim Freundeskreis und den ehrenamtlich Engagierten herzlich zu bedanken. Über 60 Gäste feierten und genossen das bunte Buffet mit internationalen Spezialitäten, darunter waren auch zahlreiche Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner aus der Integrations- und Flüchtlingsarbeit. Zwischen ihnen, den Mentorinnen und Mentoren und den Gästen entstanden an diesem Abend intensive Gespräche über alle Fragen rund um das Thema Integration. Neue Kontakte wurden geknüpft, das Netzwerk der Integration wurde gestärkt. Und die Stadtbibliothek freut sich darauf, im Rahmen einer Projektförderung der Kulturstiftung des Bundes ihre interkulturellen Aktivitäten in den nächsten Jahren noch deutlich ausbauen zu können.